Attraktivität

Wie sich die eigene Gefühlswelt auf die Wahrnehmung des Gegenübers auswirkt

Eintrag vom: 13.01.2022



Es geschieht in Bruchteilen von Sekunden – wir erkennen blitzschnell, ob uns jemand in den Bann zieht oder nicht. Manchmal ist es ein konkretes Merkmal, das wir beim anderen Menschen hochgradig anziehend finden, zum Beispiel das Lächeln oder der Blick, wenn man einander im Vorbeigehen wahrnimmt. Besonders prägnant bleibt der Moment des Aufflackerns haften, wenn man nicht damit gerechnet hat. Das können Äußerlichkeiten sein oder die Stimme oder auch die Art und Weise wie jemand sich bewegt, eine flüchtige Berührung.

Es gibt Momente, die voller Begierde sind, ohne das wir sie konkret an etwas festmachen können. Die Entscheidung, ob man sich gegenseitig zum Anbeißen findet, ist der erste kleine Schritt, um sich auf einen Flirt einzulassen, miteinander zu tanzen, das unausgesprochene Angebot der näheren Begegnung oder gar sexueller Versuchung anzunehmen. Dieses gewisse Etwas, das uns dazu bewegt dem einen Menschen unsere ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken, lässt sich oftmals nicht in Worte fassen.

Natürlich kann es sein, dass wir für uns verinnerlicht haben, zum Beispiel ausgerechnet auf Blondschöpfe zu stehen und dann springt unser Gehirn schnell darauf an, wenn uns ein blonder Mann oder eine blonde Frau begegnet, der oder die uns rein vom äußerlichen Typ her anspricht. Und dennoch ist Anziehungskraft individuell. Zwar gibt es gesellschaftliche Schönheitsideale, die uns indirekt vorgeben, wer sexy oder eher uninteressant ist, aber gesteuert wird die Wahrnehmung eines Einzelnen über unser Unterbewusstsein.

Die Ausstrahlung eines Menschen kommt nicht unbedingt (nur) durch sein äußeres Erscheinungsbild zustande, sondern wird vielmehr durch die eigenen Bedürfnisse gelenkt, die wir glauben, durch seine oder ihre Wirkung auf uns, womöglich erfüllt zu bekommen. Dies ist in seiner Komplexität ein Zusammenspiel aus verschiedenen Befindlichkeiten, Ansprüchen und Wünschen, die in ihrer Wichtigkeit je nach Tagesform unterschiedlich stark sein können.

Brauchen wir eine abenteuerliche Abwechslung, wirkt der verwegene Mann in der Bar, der mit einem koketten Lächeln zwei Drinks bestellt und auf uns zukommt, wie ein gefundenes Fressen, auf das wir uns blindlings stürzen können. Ist es hingegen so, dass wir in einer Phase allgemeiner Unsicherheit stecken und einen Fels in der Brandung brauchen, kann der unscheinbar wirkende, aber stets hilfsbereite Nachbar, der vielleicht nicht durch atemberaubenden Sexappeal besticht, aber zuhört und gut in den Arm nehmen kann, genau die unerfüllten Punkte treffen, die uns zum Dahinschmelzen bringen.

Je nach Situation und mehr oder weniger verankerten Attributen, die wir für uns als reizvoll eingestuft haben, kann die jeweilige Attraktion variieren.

Es hängt auch davon ab, wie jemand zu verführen weiß. Damit ist nicht die Strategie gemeint, dass man den anderen unbedingt ins Bett bekommen möchte. Sondern es geht darum, dass man die andere Person für die eigenen Bedürfnisse begeistern kann. Wenn jemand seine Schokoladenseite nach außen trägt und genau weiß, wie er beim anderen Menschen intuitiv richtig liegt, fällt dies als besonders anziehend auf. Das kann durch Flirten oder ein gekonnt eingesetztes Lächeln geschehen, aber es kann auch rein gar nichts mit der äußeren Hülle zu tun haben, weil wir vor allem auf das Verhalten eines anderen abfahren. Das geschieht mehr oder weniger unterbewusst. Zeigt jemand sich in einer wertschätzenden und aufmerksamen Art, bricht das schon oftmals das Eis.

In jedem Menschen stecken schöne wie auch hässliche Facetten. Je nachdem, ob wir selbst das Gute oder das Schlechte aus uns hervorholen, so bekommen wir von der anderen Seite etwas gespiegelt. Wenn es beiden gelingt, ihre positiven Züge überwiegen zu lassen und geprägt durch Liebe, Achtsamkeit und Respekt miteinander umzugehen, so gibt es auch über den ersten zündenden Moment hinaus ein gewisses strahlendes Etwas, das wir als unglaublich wundervoll erleben können.

An dem Satz, dass die wahre Schönheit von innen kommt, ist tatsächlich eine ganze Menge dran, denn zugrunde liegt immer die Entscheidung, wie wir wirken wollen. Beispielsweise kann man gekränkt sein und findet im anderen kein Fünkchen von der magischen Anziehung, die vielleicht einmal da gewesen ist. Doch dann kann man sich dazu bewusst entscheiden, denjenigen oder diejenige wieder mit den Augen anzublicken, die einen vormals beeindruckt haben und das von uns Erträumte, was wir im anderen erhoffen, zu kommunizieren beziehungsweise als Vorstufe davon erst einmal selbst zu imaginieren. So fällt es uns leichter in scheinbaren Kleinigkeiten wieder etwas Besonderes zu finden und eine Wertschätzung wahrzunehmen, die wir in unserem möglicherweise beleidigten Zustand gar nicht hätten erkennen können.

Was genau es ist, das wir an einem Menschen betörend finden, bleibt häufig im Verborgenen. Es kann eine Geste sein, ein Gefallen, der uns getan wird, ein ausgesprochen zugewandtes Wesen, Zärtlichkeit, eine Annäherung, ein konkretes Aussprechen von Gefühlen, eine Versuchung, ein Kompliment – Ausstrahlung hat viele Gesichter. Dazu gehört das jeweilige Gesamtpaket des- oder derjenigen, die uns beeindruckt genau so wie die eigene individuelle Verfassung. Es ist also nicht möglich, eine Schablone über jeden einzelnen Menschen zu legen und sie oder ihn als ansprechend oder uninteressant einzuordnen, weil sich die Dinge schnell verändern können und daher andere Bewertungsgrundlagen herrschen.

Es ist beruhigend zu wissen, dass - egal welches Schönheitsideal gilt – es jedem und jeder selbst überlassen ist, einen Menschen für sich anzunehmen, da Attraktivität Ansichtssache ist.



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