Die Liebe bleibt

Eintrag vom: 24.06.2023



Auch wenn es manchmal schwer ist, im Rauschen des Alltags beieinander zu bleiben, kann es hilfreich sein, sich in einer Partnerschaft immer wieder vor Augen zu führen, wie liebevoll ein Blick, ein Lächeln, ein Wort, eine Berührung oder ein Kuss sein können. Es sind die winzigen, kaum wahrnehmbaren, Nuancen der gegenseitigen Wertschätzung, die Menschen in einer Beziehung darin unterstützen, sich jeden Tag zu signalisieren, dass die Liebe bleibt.

Man kann im besten Falle wild übereinander herfallen, wenn die Leidenschaft aufflammt – oder sich tief in die Augen schauen und romantische Inszenierungen mit Kerzenschein und viel glamourösem Gedöns gestalten, je nach Geschmack. Man kann einander kleine Briefchen schreiben, ein Überraschungsfrühstück aufbauen, sich einfach sagen, wie wohlig-warm sich das Leben zu zweit anfühlt. Dies sind alles Liebesbeweise, die nicht zu unterschätzen sind. Doch was ist, wenn der Spagat zwischen Arbeitsleben, Freizeitprogramm, Kindererziehung, existenziellen Fragen, Einschränkungen durch mögliche Erkrankungen sowie Altersumstände und dem Bedürfnis nach abwechslungsreichen Erlebnissen zu groß wird? Wo bleibt das Liebesgefühl stecken, wenn es keine Aufmerksamkeit erhält? Es ist die hohe Kunst, in Langzeitbeziehungen für die nötige Portion Zuwendung zu sorgen. Das gemeinsame Liegen auf dem Sofa vor dem Bildschirm oder, noch weiter voneinander entfernt, die beiden Gesichter, die gefühlt an den jeweiligen Smartphones kleben, sind keine Genuss verschaffenden Angewohnheiten, sondern teuflische Zeit- und Liebesdiebe.

Also geht es darum, sich bewusst Paarzeit zu verschaffen. Ob man diese lange im Voraus plant und sogar in den Kalender einträgt oder ob man spontan reagiert, wenn sich ein paar Stunden von alleine ergeben, ist jedem Paar selbst überlassen. Wichtig ist nur, dass man die Erwartungen an diese Paarzeit nicht zu hoch hängt, damit es keine Enttäuschung gibt. Wenn jemand glaubt, dass Paarzeit auf jeden Fall Sexzeit impliziert, könnte dies für die- oder denjenigen, die oder der weniger Interesse an Sex hat, zu einer Art Pflichtveranstaltung werden. Um die Erfüllung von Pflichten soll es bei der Paarzeit nämlich überhaupt nicht gehen. Paare verlieren sich im Alltag als Liebespaar meistens nach einiger Zeit aus den Augen. Um sich immer mal wieder Akzente zu setzen, in denen lustvolle Begegnungen erschaffen werden, sollte der Rahmen so frei und ungebunden wie möglich sein. Leistungsdruck ist der Killer für eine genussvolle Sexualität – und genau so auch die Erwartungshaltung, dass es auf jeden Fall zum Sex kommen sollte. Wie nun also herangehen an die Paarzeit, die nicht zu aufgeladen sein darf, aber auch nicht vor dem Fernseher endet? Es ist schön und gut, wenn man sich einfach zu einem Glas Wein oder einem Tee verabredet, aber es wäre noch eleganter, wenn man sich zuvor überlegt, welche Fragen man seiner Liebsten oder seinem Liebsten stellen möchte, welche Erlebnisse und Situationen in der letzten Zeit aufwühlend, spannend oder einfach erzählenswert sind. Das können auch scheinbar banale Geschichten sein. Das Entscheidende ist, dass man miteinander spricht und füreinander interessiert. Und darüber hinaus, kann man sich dazu auffordern in körperlichen Kontakt zu gehen, zum Beispiel mittels leichter Übungen, die die Berührung in den Vordergrund stellen.

Eine wunderbare Übung kann die sogenannte „Umarmung bis zur Entspannung“ sein. Diese Übung ist von David Schnarch in seinem Buch „Intimität und Verlangen“ beschrieben. Nebenbei bemerkt ist diese Buch ALLEN Paaren sehr als Lektüre zu empfehlen, weil David Schnarch ein amerikanischer Therapeut war, der die Vielschichtigkeit der Beziehungsthemen und Schwierigkeiten der partnerschaftlichen Sexualität absolut auf den Punkt gebracht hat. Wer nicht lesen mag, kann sich auch das Hörbuch „Die Psychologie sexueller Leidenschaft“ zulegen. Für diejenigen, die offen für neue Anstöße und Inspiration sind und wirklich etwas verändern wollen, lässt sich das Lesen oder Hören bestimmt immer mal wieder in den Tagesablauf integrieren.

Zurück zur „Umarmung bis zur Entspannung“. Zwar geht es bei dieser Übung darum, sich gegenseitig zu armen, aber entscheidend ist das Fokussieren auf sich selbst. Am besten beginnt man mit dieser Übung im Stehen und wenn man sie einige Male ausprobiert hat, kann man sie auch im Liegen oder Sitzen versuchen. Doch im Stehen zeigt sich am deutlichsten, wie die eigene Stabilität herausgefordert ist. Man legt die Arme umeinander, so dass man sich nicht verkrampfen muss, sondern locker gegenüber steht, gerade so, wie es von der Körpergrößen und der gewöhnlichen Umarmung am stimmigsten ist. Es darf auch ein bisschen korrigiert werden. Die Körper dürfen sich berühren! Nun schließen beide die Augen und beginnen, sich auf die eigene Atmung zu konzentrieren. Einige Sekunden bleibt alles so. Dann schaut man innerlich auf die Füße, macht einen raschen Körperscan von unten nach oben. Fühle ich mich stabil in dieser Umarmung? Sollte dies nicht so sein, kann man seine eigenen Füße und die Gewichtverteilung verändern. Jedoch ist es wichtig, sich dabei nur auf das eigene Gleichgewicht zu konzentrieren und nicht den Partner oder die Partnerin zu korrigieren. Es ist ebenso ratsam, dabei nicht zu sprechen und zu versuchen die Umgebung auszublenden. Jeder Mensch für sich alleine findet in dieser Umarmung den Halt. Diese Übung kann bis zu 5 Minuten ausprobiert werden, jedoch ist es anfangs nicht so einfach so lange beieinander zu stehen und sich selbst zu halten. Daher kann man auch mit einer halben Minute oder einer Minute starten und ein anderes Mal erweitern. Was verändert sich?

Es ist nur eine von vielen Möglichkeiten, um sich bewusst füreinander Zeit zu nehmen und die negativen Gefühle und Alltagsproblemchen hinter sich zu lassen. Eine Beziehung lebt von gegenseitiger Wertschätzung und Respekt. Manchmal ist es einfacher, sich auf eine körperliche Begegnung einzulassen als in stundenlangen Gesprächen Entspannung zu suchen. Die Liebe findet einen Weg.



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