Sinnlichkeit

Was uns wie selbstverständlich in der Sexualität erscheint, kann bewusst geübt werden.

Eintrag vom: 06.11.2020



Wenn der Mensch sexuell wachsen will, kommt er nicht ohne seine Sinne voran. Auch in einer Zeit, in der wir den Eindruck bekommen, dass wir keine Abwechslung, kein Vergnügen durch die Außenwelt, kaum Kontakt zu anderen Leuten haben und durch den Schleier der Tristesse bedrückt sind, kann es ausgesprochen wohltuend sein, wenn wir unsere Sinne schärfen. Sinnlichkeit zu erleben, heißt vor allem sich all seiner Sinne bewusst zu sein.

Die einzelnen Sinne in der Sexualität zu beleben, ist eine wunderbare Möglichkeit sich etwas Gutes zu tun. Im Folgenden gehe ich kurz auf die fünf wesentliche Sinne ein: das Sehen, das Schmecken, das Riechen, das Hören und das Tasten. Dies ist ein Hauch um sich der Sinnlichkeit anzunähern und darf nicht den Anspruch haben eine umfängliche Betrachtung abzubilden.

Das Sehen bekommt einen besonderen Stellenwert in der Sexualität, weil der Mensch visuell stark erregt werden kann. Ein Blick zwischen zwei Menschen ist manchmal schon der erste erotische Funken. Dieser eine Blick kann schon bei der ersten Begegnung wirken oder auch nach Jahren das Feuer neu entflammen. Findet man jemanden attraktiv, beginnen die Augen genau zu inspizieren wie sich das Objekt der Begierde bewegt, unbewusst nimmt man wahr, welche Feinheiten in der Gestik liegen und auch wie der Schöne oder die Schöne atmet. Die Augen ruhen mal mehr oder mal weniger auf den einzelnen Körperteilen, die man besonders anziehend findet. Sich beim Sex anzusehen und einander in der vollkommenen Vereinigung in die Augen zu schauen, kann das sexuelle Erlebnis intensivieren. Das erzeugt durchaus eine hohe Emotionalität beim Sex und dieses Empfinden fällt nicht jedem Mensch leicht. Doch auch der raue und härtere Sex kann durch das gegenseitige Angucken besser werden.

Sexualität im Alltag einzubauen, kann das gewisse Prickeln wecken, um sich die graue Jahreszeit zu versüßen. Und Sex findet ja schon viel früher als beim Anblick nackter Haut einen Anklang. Je nach Ästhetik und persönlicher Vorlieben können wir sexuellen Appetit durch bewusstes Sehen steigern, wenn wir uns dafür öffnen, sexuelle Vorstufen erkennen zu wollen. Als Beispiel sei der Mund erwähnt, den man mal genau betrachten kann, wenn wir unsere/n Liebste/n beobachten.

Mit dem Mund kann man beim Sex extrem gut spüren, wie wichtig unser Geschmack ist. Klar ist auch Oralsex wesentlicher Bestandteil erfüllender Zweisamkeit, aber wenn jemand weder Fellatio noch Cunnilingus mag, ist der Mund trotzdem ein großartiger Lustbringer. Beim Küssen schwillt die sexuelle Erregung an. Als Frau kann man die Wirkung auf die eigene Feuchtigkeit spüren, wenn man sich küsst – sozusagen eine direkte Verbindung von den küssenden Lippen zu den Venuslippen. Ein inniger Kuss kann ein Einstieg sein, um sich in Schwung zu bringen. Doch auch mal ganz bewusst beim Küssen zu bleiben, ohne miteinander zu schlafen, kann eine sexy Erfahrung sein, weil man trotz beginnender Erregung das Knistern an sich genießen kann, ohne sich „verpflichtet“ zu fühlen, darüber hinaus nackt weiterzumachen.

Mit allen Sinnen die Sexualität zu entdecken, bedeutet auch ab und zu bei der Anbahnung zu bleiben, um die Lust (auf spätere Erfüllung der Wünsche) zu steigern.

Schmecken kann man nicht nur die verschiedenen Nuancen der Haut, die Feuchtigkeit und Körpersäfte, sondern auch schon beim Essen und Trinken die an Sex erinnernden Gewürze und Aromen. Natürlich erfordert das Schmecken im kulinarischen Sinne eine gewisse Bereitschaft sich den sexuellen Inspirationen zuzuwenden. Wer also partout kein bisschen an Sex erinnert werden will, kann auch nur schwer darin einen Zugang finden. Doch wie sagt man es so schön: „Liebe geht durch den Magen!“.

Und nicht weit entfernt von der Zunge, kann man auch die Nase ins Spiel bringen. Sich riechen können, hat ja schon eine große Bedeutung aufgrund der unbewusst wahrgenommenen Lockstoffe, der Pheromone. Man kann den Körper auch mit Düften und Lotionen für sein Gegenüber vorbereiten, um attraktiv zu wirken, doch auch der natürliche Geruch kann sehr anziehend sein. Das Riechen von Schweiß und Sperma und Lubrikation ist vielleicht nicht für jeden Menschen im ersten Moment schön, aber man kann auch mit der Nase lernen und in der Ursprünglichkeit des Körpers viel Genuss gewinnen.

Jemandem ins Ohr zu flüstern, hat etwas Magisches. Sich Liebesbotschaften beim „Ineinander-verschlungen-Sein“ zuzuflüstern, kann wundervoll sein und helfen, sich ganz und gar auf den anderen Menschen einzulassen. Wenn man seiner Stimme freien Lauf lässt und sich traut die Geräusche von sich und dem oder der anderen zu genießen, kann das wie ein Katalysator für hemmungslosen und innigen Sex sein. Auch wenn es Geräusche sind, die und vielleicht unangenehm oder ungewohnt vorkommen, ist es doch schön, sich gegenseitig zu hören, weil es Laute der Befriedigung sind. Genau hinhören ist erst recht spannend, wenn man beim Reden zwischen Tür und Angel die Akzente der sexuellen Sprache erwartet.

Im täglichen Gespräch einen Augenblick innezuhalten, und egal worum es sich gerade dreht, sich kurz anzuschauen und zu berühren, hilft der Zweisamkeit größere Aufmerksamkeit zu schenken. Die einzigartige Verbindung zum Partner oder zur Partnerin bestätigt sich in solch einem Moment wahrscheinlich noch viel mehr als in den konstruierten Situationen der Liebesbekundung.

Der Sinn des Tastens ist in Sexualität krönender Abschluss dieser Aneinanderreihung. Die Hand auf die Haut zu legen und sie dabei anzugucken, verstärkt die Intensität der Berührung. In der Langsamkeit erhält man manchmal ein Kribbeln bis hin zur vollkommenen Entspannung. Berührung ist das A und O in der Sexualität und sollte so viel wie möglich in Achtsamkeit geschehen, um sich und dem anderen Menschen in der Beziehung zu zeigen, wie viel sie einem bedeutet.

Was genau man für sich ausprobiert, um mehr Sinnlichkeit zu spüren, sei jedem selbst überlassen. Auf jeden Fall kann man durch das gezielte Konzentrieren auf jeden einzelnen Sinn nach und nach herausfinden, welche feinen Abstimmungen zusammenwirken, um besser genießen zu können. Versuchsweise kann auch ein Sinn gehemmt werden, in dem man sich zum Beispiel die Augen verbindet und dann auf die sexuelle Reise begibt. Daraus kann die Sehnsucht nach tiefer Befriedigung geweckt werden. Wer sich der Sinnlichkeit mit Phantasie widmet, kann auf immer neue Ideen kommen. Und daraus können ungeahnte Möglichkeiten entstehen, sexuelle Höhepunkte zu erleben.



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